Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit, alt zu werden.“
Coco Schumann

 

Der Berliner Jazzmusiker, Gitarrist, Schlagzeuger, Bandleader und Komponist Coco Schumann ist am 28. Januar 2018 in einem Berliner Krankenhaus im Alter von 93 Jahren gestorben. Er war einer der letzten Zeitzeugen des Holocaust.
Heinz Jacob „Coco“ Schumann wurde am 14. Mai 1924 in Berlin geboren. Seine Mutter Hedwig war Jüdin, sein Vater Alfred wuchs in einer christlichen Familie auf. Seine Kindheit verbrachte er im Berliner Scheunenviertel. Schon mit 12 Jahren entdeckte er seine Begeisterung für den Swing und beschloss, Musiker zu werden.
Mit 15 Jahren bekam er sein erstes Engagement als Schlagzeuger. Er spielte in verschiedenen Kapellen, und trat u.a. in der Berliner Rosita-Bar auf. Den Namen „Coco“ verdankt er einer französischen Freundin, sie konnte das „H“ von Heinz nicht aussprechen.
Im März 1943 wurde Coco Schumann wegen des Nichtragens des „Judensterns“, des Spielens nichtarischer Musik und wegen Verführung „arischer“ Frauen denunziert und verhaftet. Sein Vater Alfred verhinderte, dass er wie vorgesehen ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde. Stattdessen kam er in das Ghetto Theresienstadt.
Dass er dort bei den „Ghetto-Swingers“ Schlagzeug und später Gitarre spielen konnte, rettete ihm mit Sicherheit das Leben. Am 18. September 1944 wurde Coco Schumann nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er als Gitarrist Mitglied der dortigen Lagerkapelle wurde.
Wenige Tage bevor die Häftlinge des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit wurden, kam Coco mit einem Transport nach Kaufering, einem Nebenlager des KZ Dachau. Am 30. April gelangte er bei einem „Todesmarsch“ Richtung Innsbruck, wo er sich mit Flecktyphus ansteckte, nach Wolfratshausen. Hier wurde er von US-amerikanischen Soldaten befreit. Nach seiner Genesung fuhr er im Juli 1945 mit dem Zug nach Berlin, wo er seine Eltern und seinen kleinen Bruder wiedertraf.
r traf Bully Buhlan, Paul Kuhn und andere Musiker wieder und wurde Bandmitglied bei dem berühmten Geiger Helmut Zacharias. 1950 wanderte Coco Schumann mit seiner Frau Gertrud, die er im August 1945 kennenlernte, und ihrem Sohn nach Australien aus. 1954  kehrte er nach Deutschland zurück und spielte in verschiedenen Tanz-, Radio- und Fernsehkapellen. In den 1990er Jahren gründete er das „Coco Schumann Quartett“, u.a. mit Karl-Heinz „Kalle“ Böhm (Saxophon, Flöte und Gesang), mit dem er bis zu seinem 90. Lebensjahr auftrat. Sein Motto: „Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden.“
Im Jahre 1997 veröffentlichte der Münchner Trikont-Verlag erstmals in Deutschland die Musik Coco Schumanns. Dort sind 1997 „Double. 50 Years in Jazz“, 1999 „Coco Now!“, 2008 „Rex Casino“ und zu Coco Schumanns 90tem Geburtstag 2014 auf Vinyl „90 Years in Jazz“, erschienen.
Coco Schumann schwieg jahrzehntelang über seine Erlebnisse in Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau. Erst 1997 machte er sie in seinem Buch „Der Ghetto-Swinger. Eine Jazzlegende erzählt“, im dtv Verlag München öffentlich: „Ich bin ein Musiker, der im KZ gesessen hat, kein KZler, der auch ein bisschen Musik macht. Die Lager und die Angst veränderten mein Leben, aber die Musik hat es geführt, und sie hat es gut gemacht.“
Das gleichnamige Theaterstück wurde im September 2012 in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt und als Gastspiel auch in Berlin im Renaissance Theater und im Theater am Kudamm gezeigt. „Der Ghetto-Swinger“ ist vom 30. Mai bis 17. Juni 2018 wieder in den Hamburger Kammerspielen zu sehen, u.a. mit Konstantin Moreth als Coco und Helen Schneider als Cocos Mutter.
Seit dem Erscheinen des Buches „Der Ghetto-Swinger“ ist Coco Schumanns Schicksal sehr oft filmisch dokumentiert worden, u.a. in der viel beachteten und ausgezeichneten Dokumentation  „Refuge in Music – Terezín I Theresienstadt“ (2013), eine DVD-Produktion der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, in der er über sein Leben und die Musik erzählt.
Pressemitteilung Trikont Verlag

 
 
Zur Erinnerung an diesen großartigen Musiker gibt es das ausführliche und sehr interessante Videointerview von ARD-Alpha:
 

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